Pfeifenorgel: Unterschied zwischen den Versionen

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Die '''Orgel''' ( griechisch  ''organon'' : Werkzeug, Instrument ) besteht aus einem Regierwerk, einem Windwerk und einem Pfeifenwerk.
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[[Image:hammond_orgel-XK-1.jpg|thumb|Hammond Orgel]]
  
[[Kategorie:Musikistrumente]]
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Die '''Pfeifenorgel''' (''Orgel'' von griechisch  ''organon'': Werkzeug, Instrument) ist eines der komplexesten klassischen Musikinstrumente und zählt eigentlich zu den Blasinstrumenten, da ihre Tonerzeugung auf dem Prinzip der durch Anblasen zum Schwingen gebrachten Luftsäule, ähnlich wie bei der Blockflöte, funktioniert. Sie besteht in der Regel aus den Hauptbaugruppen Regierwerk (Manuale und Pedal), Windwerk (Gebläse oder Balgen zur Erzeugung der Druckluft, im Orgelbau 'Wind' genannt) und einem Pfeifenwerk (den teilweise dekorativ angeordneten Pfeifen auf ihren Windladen).
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== Funktion ==
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Jede Pfeifenorgel besteht aus mindestens einem Manual (Klaviatur), das im Regelfall 56 Tasten umfasst. Standardkirchenorgeln verfügen über zwei Manuale und ein sogenanntes Pedal (Klaviatur für die Betätigung mit den Füßen), das zwischen 26 und 30 Tritte umfassen kann.
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Ein Gebläse - in früherer Zeit bzw. bei historischen Instrumenten eine Kombination aus Schöpf- und Magazinbälgen - versorgt das Instrument konstant mit Luftdruck. Wird eine bestimmte Taste gedrückt oder ein Pedal getreten, öffnet sich das Luftventil und der Wind kann zu der Pfeife strömen, die der Taste zugeordnet ist. Dadurch wird die Pfeife angeblasen und erklingt.
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In der Regel verfügen Pfeifenorgeln über mehrere Register (Klangfarben), die über Züge oder Wippen zu- oder abgeschaltet werden können. Die Klangunterschiede ergeben sich aus den Materialunterschieden der Pfeifen (verschiedene Holzarten bzw. Metalllegierungen) und deren Bauform (eckig, zylindrisch, konisch, offen oder gedackt, also mit einem Deckel versehen). Die Registrierung erfolgt in der Art einer einfachen Matrixsteuerung: Die Pfeifen einer Klangfarbe sind in einer Reihe angeordnet, dieselben Töne unterschiedlicher Register hintereinander. Das Tastenventil öffnet eine Tonkanzelle, die die gesamte "Spalte" (also alle Register) mit Luft versorgt; aber es können nur jene Pfeifen erklingen, deren Register gezogen sind, da diese durch Schleifladen je eine Pfeifenreihe zu- oder wegschalten können. Die Ventil- und Registerbetätigung erfolgt im Regelfall mechanisch über dünne Wellen und Gestänge (sog. "Abstrakten") oder mitunter bei sehr großen Instrumenten elektrisch. Die Bauform der "pneumatischen Traktur", also die Übertragung von Tastendruck und Registerzug über einen eigenen Druckluftkreis, war zwischen ca. 1880 und 1920 relativ verbreitet, wird aber wegen ihrer Anfälligkeit und Reaktionsträgheit nicht mehr gebaut.
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Es ist zwischen Lippen- und Zungenpfeife zu unterscheiden. Die Lippenpfeife funktioniert nach dem Blockflötenprinzip durch die Teilung eines Luftstromes an einer scharfen Kante, was eine Schwingung der Luftsäule in der Pfeife verursacht. In der Zungenpfeife schwingt eine Metallzunge; Form und Länge der Pfeife beeinflusst zwar die Klangfarbe, kaum aber die Tonhöhe. Diese ergibt sich bei der Zungenpfeife aus der Länge der schwingenden Zunge, bei der Lippenpfeife aus der Länge der Pfeife vom Labium (der Anblaskante) bis zur Mündung.
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Diese Pfeifenlänge wird in "Fuß" (ca. 31,6 cm) gemessen und fließt in die Registerbezeichnung mit ein. So bezeichnet etwa das Register "Prinzipal 8' " ein Metallpfeifenregister, dessen längste Pfeife - das tiefste C des Manuals - 8 Fuß lang ist. Gemäß den Grundregeln der Akustik erhöht sich die Tonhöhe bei Verkürzung um die Hälfte um eine Oktave, sodass ein "Spitzflöte 4' " eine Oktave höher klingt - und auch weicher, weil es sich um eine andere Pfeifenbauform handelt.
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Typische Register sind neben dem erwähnten Prinzipal (dem "Klangrückgrat" der Orgel) in verschiedenen Fußlagen Rohr- und Spitzflöten, Gedackte, Mixturen (mehrere Pfeifen in bestimmten Obertonverhältnissen erklingen zugleich) und Aliquoten (Stimmen mit "schräger" Fußzahl, etwa 2 1/3 oder 1 2/3). Letztere können nicht einzeln verwendet, sondern nur als "Klangkrone" eingesetzt werden.
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Die längsten Pfeifen haben 32' (ca. 10 Meter), die kleinsten weniger als 2 Zentimeter (der oberste Ton eines 1'-Registers).
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Normale Kirchenorgeln haben zwei Manuale, ein Pedal und je nach Größe der Kirche zwischen 15 und 25 Register. Große Kirchenorgeln bzw. Konzertinstrumente können bis zu 70 und mehr Register auf bis zu fünf Manualen haben; daraus ergibt sich, dass in einem mittelgroßen Instrument über 1000, in einem großen bis zu 15000 Pfeifen stehen können. Als derzeit größte Kirchenorgel der Welt gilt derzeit die Domorgel von Passau mit 17774 Pfeifen und 233 Registern.
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== Geschichte ==
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Bereits [[Ktesibios]] von Alexandria konstruierte um 240 v. Chr. die erste Orgel, die "Hydraulis", auf der sich allerdings wahrscheinlich nicht regelrecht musizieren ließ, sondern die eher als akustischer "Gag" - wie auch später bei den Zirkusspielen in Rom - eingesetzt wurde.
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Erst um 800 beginnt der musikalische Gebrauch der Orgel; die Baukunst beginnt sich zu entwickeln. Haben die Pfeifenreihen anfangs noch für jede Tonhöhe denselben Durchmesser ("Starre Mensur" - eine Pfeife mit 8' hat denselben Durchmesser wie die mit 2' desselben Registers), wurde um 1300 entdeckt, dass die Töne gleichmäßiger und lieblicher waren, wenn man den Durchmesser proportional zur Länge der Pfeife veränderte ("Verlaufende Mensur" - der Durchmesser einer Pfeife verhält sich zu ihrer Länge in einer bestimmte Relation, z.B. 1:15).
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Die Klaviaturen mittelalterlicher Orgeln waren so schwergängig, dass sie mitunter mit Fäusten geschlagen werden mussten (daher auch die alte Redewendung "die Orgel schlagen"). Doch bis zur Barockzeit war die Orgelbaukunst voll entwickelt, und Johann Sebastian Bach, der bekannteste der klassischen Orgelvirtuosen und -komponisten, fand bereits reich registrierte und leichtgängige Orgeln vor, die ihm die Umsetzung seiner komplexen und schnellen Werke ermöglichten. Die bekannteste Orgelbauschule aus dieser Zeit ist die [[Silbermann]]-Schule.
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Nach der Barockzeit verfiel sowohl die Orgelbaukunst als auch die Achtung vor der "Königin der Instrumente" zusehends, weil sie nicht dynamisch spielbar ist - ein Ton erklingt oder er erklingt nicht; er kann nicht durch Variation der Anschlagstärke leiser oder lauter erklingen wie z.B. beim Klavier. Die aufkommende Romantik erachtete dies als Mangel und vernachlässigte die Orgel immer mehr; die Orgelbauer versuchten durch die Konstruktion von Registern gegenzusteuern, die dem Klang von Naturinstrumenten möglichst nachempfunden waren - vergebens, denn dadurch verlor die Orgel ihre klanglichen Eigenarten und wurde zu einer schlechten Imitation.
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Erst in den Jahren unmittelbar um den Ersten Weltkrieg kam es durch die Orgelbewegung in Deutschland, die - auch aus politischen Gründen - eine Sehnsucht nach der (frühen) Barockzeit entwickelte, und durch die Aktivitäten großer Organisten und Komponisten in Deutschland und Frankreich ([[Reger]], [[Vierne]], [[Alain]], [[Widor]] oder [[Franck]]) zu einer Neubesinnung auf das barocke Orgelideal. Seit etwa 1930 werden wieder Orgeln in klassischer Bauweise mit den bewährten Registern entworfen und gebaut.
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== Hersteller ==
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Pfeifenorgeln werden nicht in Serie gefertigt und können daher nicht "von der Stange" gekauft werden. Sie werden als Einzelstücke von Orgelbaumeistern auf den Raum hin konzipiert, in dem sie stehen sollen und in Abstimmung mit den Käufern auf den Zweck hin disponiert (mit Registern bestückt), dem sie dienen sollen. So muss eine Orgel für einen kleinen Festsaal völlig anders aussehen als die für eine Kirche oder eine Kathedrale. Eine grobe Kostenschätzung kann auf der Basis der Anzahl der Register vorgenommen werden - etwa 10.000,00 Euro pro vollem Register wird in der Regel zu bezahlen sein, was bei einer durchschnittlichen Orgel schon an die 200.000,00 Euro ergeben kann. Eine stolze Summe, die aber einerseits durch das verarbeitete hochwertige Material und die unzähligen Arbeitsstunden gerechtfertigt ist, andererseits durch die lange Haltbarkeit des Instrumentes relativiert wird: Eine gut verarbeitete Orgel, die regelmäßig gewartet wird, ist auch nach 400 Jahren noch einwandfrei spielbar.
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== Interessante neue Entwicklungen ==
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Da einerseits neue Pfeifenorgeln vor allem für kleine Kirchengemeinden praktisch unerschwinglich sind, andererseits die wesentlich billigeren [[Elektronische Orgel|elektronischen Orgeln]] in keiner Weise an die Qualität einer echten Pfeifenorgel heranreichen (obwohl sie beachtliche Qualität als Haus- und Übungsinstrument haben), wurde in neuester Zeit der Versuch gemacht, beide Bauweisen zu integrieren und ein Hybridinstrument zu schaffen, das die Vorteile beider Bauweisen in sich vereint. So wurde im Jahre 2000 in der Pfarrkirche St. Jakobus zu [[Nestelbach bei Graz]] in Österreich eine [[Hopferwieser]]-Orgel aus der Zeit der Jahrhundertwende, die für die Kirche deutlich zu klein war, aber gut funktionierte, elektronisch um 20 Register erweitert. Das Instrument funktioniert verlässlich und klanglich zufriedenstellend; der Finanzaufwand für die Erweiterung hielt sich mit ca. 20.000,00 Euro in Grenzen und der Umbau ist nichtdestruktiv vorgenommen worden - innerhalb weniger Stunden kann das Instrument in den Originalzustand zurückversetzt werden, ein konservatorisch wichtiger Aspekt. 
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== Literatur ==
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Zur Vertiefung empfohlene Literatur:
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Adelung, Wolfgang: Einführung in den Orgelbau, Wiesbaden: Breitkopf&Härtel 1992 (2. Aufl.)
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[[Kategorie:Tasteninstrumente]]

Aktuelle Version vom 21. Februar 2010, 15:11 Uhr

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